Zum ersten Adventssonntag bietet das Franz Radziwill Haus gleich zwei Programmpunkte:Am Vormittag führt Dangastexperte Karl-Heinz Martinß durch die Ausstellung „ALLES AUF ANFANG“, die sich mit Radziwills Zuzug in das Fischerdorf vor 100 Jahren und seinem gleichzeitigen Stilwandel beschäftigt. Dabei nimmt er besonders das zur Jahreszeit passende Gemälde Der zerbrochene Wintermond von 1924 mit seiner schneebedeckten Küstenlandschaft in den Blick. Anschließend präsentiert Konstanze Radziwill am Nachmittag ihren Dokumentarfilm Konsequent Inkonsequent – Der Maler Franz Radziwill (1995). Dieser lädt dazu ein, Radziwill in zahlreichen Interviews aus Sicht der ihm nahestehenden Menschen kennenzulernen. Dabei bleiben die Widersprüche in ihrer jeweiligen Wahrnehmung bestehen. Der rote Faden in Radziwills Biografie sind seine Bilder. Von sich selbst sagte er: „Was mich zutiefst berührt hat, beglückt oder erschüttert, ist in meinen Bildern zu sehen, ich habe es mir von der Seele gemalt…“

Seit dem Auftauchen eines nicht autorisierten Interviews mit dem Maler aus dem Jahr vor seinem Tod, das 2023 im bildgewaltigen Theaterstück des Oldenburgischen Staatstheaters Radziwill oder der Riss durch die Zeit thematisiert wurde, ist wieder die Frage aufgekommen: Wie stand Franz Radziwill zum Nationalsozialismus?

1933 trat Radziwill in die NSDAP ein und erhielt an der Kunstakademie Düsseldorf eine außerordentliche Professur für Malerei. 1935 wurde er nach der Entdeckung früher Werke und wegen fehlenden Engagements im Sinne nationalsozialistischer Kunstpolitik wieder entlassen. Zudem waren NS-Studenten in sein Düsseldorfer Atelier eingebrochen und hatten die dort entstandenen Bilder als Beweis für seine fehlende Linientreue fotografiert. Denunziatorische Schreiben von Kollegen und Kunstkritikern führten trotz Radziwills Protest zum endgültigen Rauswurf.

1937 prangte das Porträt, das Otto Dix 1928 in Dresden von ihm gemalt hatte, an der Stirnwand der berüchtigten Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ mit der Unterschrift: „Kulturbolschewist Radziwill, wie kann man sich so malen lassen?“ Über 50 seiner Arbeiten wurden beschlagnahmt und zum Teil vernichtet. Jedoch wurde Radziwill auf Betreiben des Oldenburger Gauleiters Carl Röver rehabilitiert und Kulturbeauftragter der Dangaster Ortsgruppe der NSDAP, woraufhin er Ausstellungsbesuche und Lesungen klassischer Autoren organisierte.

Seit 1937 stand er in Kontakt mit regionalen Vertretern der Bekennenden Kirche, die sich zu Versammlungen in seinem Dangaster Atelier trafen. Ab 1938 hatte er Ausstellungsverbot für Einzelausstellungen.

Der Film Konsequent Inkonsequent – Der Maler Franz Radziwill beleuchtet das gesamte Leben des Künstlers und lässt auch die NS-Zeit nicht aus.

Gerburg Rohde-Dahl arbeitet als Regisseurin und Filmemacherin und Filmproduzentin in Berlin und Bremen. Sie studierte angewandte und freie Grafik an der Werkkunstschule Bremen und an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. 1959 nahm sie an der documenta 2 in der Abteilung Druckgrafik teil und studierte 1974–1979 Deutsch und Geschichte (Lehramt) an der Bremer Universität. 1974–1997 produzierte sie mehr als 20 Spielfilme (20–30 Min. Buch, Regie) für das ZDF-Vorschulprogramm und ab 1995 Dokumentarfilme, u.a. Ein weites Feld (2009) über das Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin und Die Aufseherin – Der Fall Johanna Langefeld (2019) mit Wladek Jurkow über eine SS-Oberaufseherin (2020-21 in rrb, MDR, ARD und 3-sat). Gerburg Rohde-Dahl erhielt zahlreiche Preise, u.a. 2010 8th Festival International du Film sur l'Art (FIFA) Montreal Award Best Reportage, 2010 SHAHAMA Filmfestival New Spirit Award, 2019 RIFFA International Film Festival Canada) Best International Documentary, 2019 NURT 25th Documentary Form Festival, Poland, Award of Ministry of Culture & National Heritage of Poland.

Konstanze Radziwill entschied sich nach einem Studium der Literatur-, Kunst-, Politik- und Religionswissenschaft für den Beruf der Autorin und Filmemacherin. Sie profilierte sich als Regisseurin von Dokumentarfilmen, z.B. Warum starb Nirmala Ataie?, Ein langes Leben – Olga Bontjes von Beek und den dokumentarischen Teil des Doku-Dramas Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque sowie Trassenkampf über die Verhinderung einer Bremer Stadtautobahn. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, etwa den Bremer Dokumentarfilmpreis, den Robert-Geisendörfer-Preis und den Lübecker Filmpreis Gewalt im Geschlechterverhältnis.
Parallel zu ihrer beruflichen Tätigkeit engagiert sich die gebürtige Dangasterin seit Gründung der Franz Radziwill Gesellschaft 1986 für den Künstlerort Dangast und die Auseinandersetzung mit dem Werk ihres Vaters Franz Radziwill.

 

Führung:
Termin: Sonntag, 03. Dezember 2023, 11:30 Uhr
Teilnahme: 9 Euro inkl. Ausstellungsbesuch | Schüler/Studierende 6 Euro

Film:
Termin: Sonntag, 03. Dezember 2023, 16 Uhr
Teilnahme: 12 Euro inkl. Ausstellungsbesuch | Schüler/Studierende 10 Euro

Die Filmvorführung findet im oberen Atelier des Künstlerhauses statt. Wegen des begrenzten Platzangebotes bitten wir um telefonische Voranmeldung unter 04451/2777 zu den Öffnungszeiten des Künstlerhauses.