Das Bild zeigt übergroß die Schildkröte Minna, von Tochter Konstanze so genannt und eines der liebsten Haustiere der Familie Radziwill. Beschrieben wird auf dem Bild die beschwerliche Ankunft der Schildkröte an Land. Nach ihrer Reise durch grünlich schimmerndes Wasser muss sie als erstes um einen dicken Stein krauchen, der ihr den Weg versperrt. Das Bild wird geprägt durch eine geheimnisvolle Atmosphäre, die ein Gefühl von Fremdheit, auch für die Betrachtenden, vermittelt. So ist die vordere Strandzone mit der Schildkröte und ihrem ocker-braun-gemusterten Panzer annähernd naturalistisch geschildert, während sich in die Kulisse abstrakte und surreale Elemente mischen. Minna kommt aus fernen Landen, wie Franz Radziwill mit dem gemalten Hintergrund andeutet. Vor einem grün nächtlichen Himmel sieht man Häuser und einen Kirchturm, die auf dem Wasser zu schweben scheinen. Dahinter eine braun-schwarz changierende Fläche an, die wie Gefieder mit hellen bogenförmigen kurzen Pinselstrichen versehen ist. Vor einem roten, breit nach unten ragenden Farbstreifen, ein Segelboot. Dessen leuchtend weiße Segel rücken für den Betrachter das Boot fast in den Mittelpunkt des Bildes. Dem Boot verleihen sie eine geheimnisvolle Bedeutung: war Minna vielleicht eine Strecke mit dem Boot gereist? Auffallend ist die Diagonale, die das Gemälde zerteilt. Links Häuser und Boot, – die Menschenwelt-, rechts Formationen, in denen man urtümliche, geisterhafte Gestalten zu erkennen meint: eine Welt wie vor Ur-Zeiten. Die Diagonale führt von rechts oben direkt nach links unten zum Panzer von Minna und soll ihre Herkunft aus für uns fremden, geheimnisvollen, unheimlichen Gestaden erklären. Auch die Schildkröte landet in dem für sie erst einmal fremden Gelände einer Strandlandschaft. Es könnte der Strand von Dangast sein, dem Künstlerort, wo sie im Hause Radziwill eine neue Heimat findet.

Die Schildkröte Minna, 1956, Öl auf Leinwand auf Holz, Privatbesitz

Radziwill malte das Bild im Jahr 1956. Sein eigenwilliger, besonderer Stil war damals wenig gefragt: In den 1950er Jahren beherrschte die ungegenständliche Kunst den öffentlichen Ausstellungsbetrieb der jungen Bundesrepublik. Eine Verwandtschaft zur Formensprache von Willi Baumeister (1889-1955), Max Ernst (1891-1976) oder Lyonel Feininger (1871-1956) ist sichtbar.

Das Werk wird in der aktuellen Ausstellung „Was da kreucht und fleucht“ präsentiert. Radziwill-Kenner Karl-Heinz Martinß wird in seiner Führung am Sonntag, den 07. Juli, 11:30 Uhr im Franz Radziwill Haus besonders auf dieses Bild des Monats eingehen.