Stillleben mit rotem Krug und Weckuhr
Mit diesem Stillleben hat Franz Radziwill ein fantastisches Memento-Mori geschaffen, das dem Betrachter die Flüchtigkeit des Lebens vor Augen führt. Als Radziwill das farbstarke Werk im Jahr 1949 malte, war es um den Meister des Magischen Realismus still geworden. Im Kunstbetrieb jener Zeit war Abstraktion gefragt. Gleich mehrere Symbole der Vergänglichkeit sind in diesem Gemälde enthalten. Als zeitgemäßes Pendant zur Sanduhr, die wir aus den Stillleben der Barockzeit kennen, ist hier ein Wecker zu sehen. Dahinter verlischt eine Kerze, deren Rauch die bizarre Form eines Vogels unter einer Wolke annimmt. Die grüne Birne ist schon wurmstichig, bevor sie reif ist, während der Apfel, das Symbol für den Sündenfall, in verführerischem Rot erscheint. Ebenso rot leuchtet der Tonkrug, dessen Inhalt unbekannt bleibt. Der Maler hat die Objekte dicht zusammengestellt. Durch den steinernen Podest, der eher wie ein Steinsarg als ein Möbelstück anmutet, zieht sich ein tiefer Riss. Das drapierte Tuch, das mit seinem raffinierten Kolorit die bildbestimmenden Rot- und Grüntöne zu reflektieren scheint, verleiht dem Arrangement zusätzliche Plastizität. Oben im Bildraum ist eine stilisierte Blume zu entdecken. Zudem fällt von links ein zaghaftes Licht ein. Schemenhaft tritt aus dem grünen Hintergrund das Bild eines Schiffes hervor, das an den bewegten Segeln erkennbar ist. Die Botschaft, dass die Tage gezählt sind, kommt in dem Gemälde unmissverständlich zum Ausdruck, doch bezieht sich Radziwills Hinweis, dem „Tode zu gedenken“, nur auf das Los des Menschen oder auch auf das Schicksal der gegenständlichen Kunst? Radziwill, der als Künstler Autodidakt war, hat die Malerei der Alten Meister und damit auch die Vanitas-Stillleben begeistert studiert und die Symbolik in seine eigene Bildwelt überführt. Trotz aller Moden hielt Radziwill zeitlebens an der Gegenständlichkeit fest. Als diese in den 1960er Jahren als „Neue Figuration“ eine Renaissance erfuhr, fand auch Radziwills Malerei wieder große Beachtung.
Das „Stilleben mit rotem Krug und Weckuhr“ galt lange als verschollen und ist im Werkverzeichnis ohne Abbildung aufgeführt. Bekannt wurde das Motiv erst 2013, als das Gemälde im Handel auftauchte. Es besitzt einen Originalkünstlerrahmen mit der von Radziwill vergebenen Werknummer „405“. In der aktuellen Ausstellung ist das Werk als Leihgabe einer Münchner Privatsammlung zu sehen.